Jonathan

Jonathan ist ein sympathischer Kerl, sportlich, gutaussehend, gute Manieren. Die Frauen gucken ihm hinterher; um eine kennenzulernen, braucht er sich nicht anstrengen. – Er will allerdings keine kennenlernen, und er ist weder homosexuell noch vergeben.

Total verpeilt oder nur chaotisch?

Ein erfolgreiches Masterstudium an einer Exzellenz-Uni nennt er sein eigen, vielfältige Berufserfahrung, Auslandsaufenthalte, eigene Projekte.
Eigentlich ein toller Typ, dieser Jonathan. Aber er kommt nicht aus dem Quark. Hat sein Leben einfach nicht im Griff. Kein Selbstmanagement und schon gar keine funktionierenden Familienstrukturen.

Das Verhältnis mit der Ex hatte nicht gehalten, sie sind seit einigen Jahren getrennt. Seitdem kümmert er sich allein um die vier Kinder. Obwohl alle vier richtige Sonnenscheine sind und absolut pflegeleicht, kriegt Jonathan es nicht hin, den Haushalt in Schuss zu halten, geschweige denn einen einträglichen Job zu finden, mit dem er die Familie ernähren kann.

Eventuell sieht es in Bewerbungen nicht so gut aus, dass er zusätzlich noch einige Jahre seine dementen Großeltern bis zu deren Tod gepflegt hat. Oder vielleicht ist der Burn Out samt Vater-Kind-Kur an der Nordsee vor Jahren ein Killer-Kriterium in den Vorstellungs-Gesprächen, wenn er gefragt wird, wie er das denn alles so geschafft hat?

Mit der Ex hatte er allerdings auch einen echten Fehlgriff geschossen. Die hat ja schon immer nur rumgetusst und nichts für die Familie getan. Seit der Trennung macht sie erst recht auf armes Mäuschen und zahlt weder Unterhalt, noch kümmert sie sich um die Kinder. Umgang alle zwei Wochen? In den Ferien? – Allerhöchstens schickt sie mal nen flotten Spruch per SMS: Habe euch so lieb, ihr 4! Feiert schön Weihnachten, ja?! Bussi, Mama

Netzwerke bilden

Neulich erlebte er einen anderen Vater, als sie nach einer Gürtel-Prüfung ihre Kinder gleichzeitig abholten. Jonathans Sohn hatte als einziger aus der Clique die Prüfung bestanden. Der andere Vater sagte zu seinem deutlich durchgefallenen Sprößling: Kein Problem, ich kenne doch den Prüfer, mit dem quatsche ich einfach mal und dann klappt das doch!
Dafür ist Jonathan zu ehrlich und hätte seinem Sohn signalisiert: Durchgefallen heißt, entweder nicht genug vorbereitet oder irgendwie kein Talent, dann ist diese Geschichte hier für dich zu Ende! 

Schade! Eigentlich hätte sich Jonathan gerne etwas mit dem Vater unterhalten, aber irgendwie gab es da keine gemeinsame Wellenlänge. Es ist selten, dass Jonathan mal andere Väter trifft. Meistens holen Mütter die Kinder ab oder sind auf den zahlreichen Kinderterminen von Basar bis Elternabend.
Die Mütter teilen sich immer in zwei Gruppen: die eine findet ihn übergriffig, wenn er nett mit sprechen möchte und fühlen sich negativ angebaggert. Die andere baggert ihn an, ohne Rücksicht auf das Thema zu nehmen. Konstruktiv geht das jedenfalls nie aus. Das frustriert Jonathan schon.

Jobsuche mit vereinten Kräften

Als er mal von seinen beruflichen Ambitionen sprach, tat kürzlich eine andere Kindermutter aus der Klasse kund, sich ebenfalls neu orientieren zu wollen. Erste Ideen wurden in den Raum geworfen und ein gemeinsames Brainstorming in Ruhe vereinbart. Ohne Kinder.
Räumlich wäre Jonathans Wohnung der ideale Treffpunkt gewesen. Aber die Unordnung war ihm unangenehm. Liegt vielleicht im Auge des Betrachters, aber mit vier Kindern und einem Hund fliegt immer irgendwas rum, ist nicht alles blank geputzt und nach Jonathans Empfinden nicht empfangsfähig. Als er deshalb auf einem externen Treffpunkt bestand, sagte die Mutter last minute das Brainstorming ab. Hab echt viel zu tun, sei nicht böse! 
Klang in seinen Ohren wie eine fadenscheinige Ausrede. Seitdem hat sie auch nie wieder über ihre Veränderungswünsche gesprochen. Aber immer wieder sexuelle Anspielungen gemacht.

Zeit effizient nutzen

Ein echtes Problem von Jonathan ist, dass er seine Zeit nicht effizient nutzt und Klinken putzt. Statt für den Sohn die Hockey-Trikots zu waschen (wird sich schon irgendeine Mutter finden, die dann eben zweimal wäscht!), sollte er besser Bewerbungen schreiben, wenn er sich wirklich verändern will. Die kleine Tochter mit ihren never ending Kindergarten-Geschichten kann er doch auch der fußlahmen Nachbarin (mit dem beißenden Mundgeruch) rüberschicken. Die freut sich bestimmt.
Auf die vielen Elternabende (vier Kinder ..) sollte er besser verzichten, s.o., da sie netzwerktechnisch gar nichts bringen, sondern eher für private Unruhe sorgen.  Irgendwer kann ihm sicher eine Mitschrift schicken.
Und überhaupt sollte er sich mal von den Kindern lösen! Sie haben ja außer ihm niemanden, da verbringen sie doch genug Zeit mit ihm. Dann können sie auch öfter mal auf ihn verzichten. Sonst werden die nie unabhängig!

Neue Partnerin

Mit den Frauen hat Jonathan es natürlich schon mal versucht. Aber irgendwie gerät er immer an so gescheiterte Existenzen, die sofort bei ihm einziehen wollen, keine eigene Waschmaschine und auch sonst wenig besitzen und scheinbar nur einen rundum potenten Sugardaddy suchen.
Außerdem waren ihnen die Freizeitaktivitäten nicht spektaktulär genug. Beim Waldspaziergang werden sie dreckig, Streichelbauernhof geht wegen Allergie nicht, am See sind Mücken usw. Ausschließlich Aktionen, die kinderungeeignet sind, waren ihnen genehm.
Jonathan hat es aufgegeben. Und er hat auch aufgegeben, seiner auf Mallorca lebenden Mutter das erklären zu wollen. Denn die findet, er solle sich schnell eine neue Partnerin suchen, damit die ihn unterstützt.
Das war ja wohl höchstens früher so, in den 60ern!

 

 

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Weiter so? – Nein!

Wie unendlich herbeigesehnt diese Osterpause ist!

Kein Deko-Gedöns, keine Termine, nicht mal aufwändiges Essen. Einfach mal dezidiert nichts tun. Nur die freie Zeit genießen, nicht mal putzen, gerade mal 4 Mahlzeiten pro Tag ausstaffieren – fertig.

Arbeit …

… eine Mischung aus Festanstellung und Freelancer. Es schlaucht sehr und die Bilanz nach grob einem Jahr fällt durchwachsen aus. Sehr durchwachsen.

Durch die Pendelei kostet die Festanstellung viel Zeit. Sie garantiert aber ein Grundeinkommen und eine Krankenversicherung für die Familie. Das Gehalt reicht nicht zum Auskommen (für vier Personen), also muss an den anderen Tagen auch Geld verdient werden. (Unterhalt kommt nur ganz gelegentlich in unkalkulierbaren Bröckchen, was bedeutet: kalkulieren wie ohne Unterhalt.) ((Die Konditionen der Anstellung sind nicht verhandelbar, schon probiert. Entweder so oder nicht.))

Die Umstände ermöglichen nur schlecht bezahlte Aufträge, die immerhin mit der wenigen, verbleibenden Energie machbar sind, im Gegensatz zu tolleren, besser bezahlten Projekten. Und sie fressen ebenfalls viel Zeit. (In der Summe VZ Arbeit und mehr, aber ein unregelmäßiges und unbefriedigendes Einkommen.)

Während das Hamsterrad läuft, hier also seit Herbst bis jetzt durchgehend, kommt Mamamotzt überhaupt nicht zum effektiven Nachdenken. Irgendwas ist immer und man braucht einen echten Abstand zu den Dingen, die man mal aus einer anderen Perspektive betrachten muss/möchte.
Also die Gesamtsituation, die Arbeits- und Familiensituation in diesem Fall. Besonders, wenn man absolut alleine überlegen muss und maximal die eigenen Kinder als Gedanken-Sparringspartner hat.

Die Brillanten an sich kamen in diesem letzten Jahr viel zu kurz. Bei allem Lerneffekt, den es dabei auch gibt.
Es gibt hier nichts und niemanden, der Mamamotzt unterstützt, und wenn sie nicht die Hausaufgaben überwacht, tut es niemand. Wenn sie nicht für Arbeiten übt oder Vokabeln abfragt, macht es niemand. Das sieht man auf den Zeugnissen. Wenn sie nicht zeigt, wie XYZ funktioniert, dann tut es niemand. Alles, was Mamamotzt nicht tut, passiert nicht. Putzen, erziehen, zuhören, die Welt erklären.
(Im Freundeskreis der Brillanten gibt es bereits erschreckende Beispiele, was dadurch passieren kann!)

Mamamotzt ist leider keine Heldin sozialer Netze im real life, hat aber ein Händchen für falsche Charaktere. (Viel versprochen, schon gebrochen …)

Die Brillanten stellen keinen Unsinn an, wenn Mamamotzt nicht zu Hause ist, aber das ist auch schon alles. Sie hängen lethargisch herum und tun … nichts.
Trilliarden vertane Chancen!

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Blöd, dass ihr nicht mal ein Ziel klar ist. Will Mamamotzt mehr Zeit für die Brillanten, egal, was es kostet? Will sie gerne wieder anspruchsvolle Tätigkeiten ausführen und weg von den Hilfsjobs? Wäre sie bereit, sich von irgendwas oder irgendwem abhängig zu machen, um (Familien-)Zeit zu gewinnen? Welchen Schritt würde sie als erstes gehen? Wie wichtig ist ihr das komplett weggebrochene eigene Sozialleben? Ist es auf Dauer ok., abends nur noch ins Bett zu wollen und als einziges Ziel für freie Stunden zu haben, bloß Ruhe haben zu wollen, keinen Menschen sehen zu wollen und möglichst nichts zu machen?

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Eine gute Grundsatzfrage ist in Momenten, in denen im Leben irgendwas nicht richtig erscheint, oder falsch oder untragbar, folgende:

Kannst du dir vorstellen, noch ein/fünf / Jahr/e genauso zu leben? 

Antwort lautet: definitiv nicht!

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So! Es muss sich also etwas ändern.

Aber: wo anfangen?

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Ganz privat gibt es natürlich Faktoren, die selbst hier nicht thematisiert werden, die aber eine Rolle spielen. Wahrscheinlich nicht mal unerheblich. Die „zu beackern“ ist einzig Mamamotzts Aufgabe. Und ohne Kenntnis derer sind eigentlich alle möglicherweise eingehenden Ratschläge oder Hinweise vergeblich.
Also, ein Like unter dem Beitrag ist ok, aber alles andere kostet leider nur kostbare Leserlebenszeit. 😉
:-*

Ein zufriedener Beitrag

Das Leben kann so schön sein. So schön smooth, so glatt.

Den Brillanten geht es gut, alle sind gesund, alles prima.

Die Tage werden länger, die Sonne schien jetzt einige Tage, man wohnt, man lebt, man freut sich. Weil man sich dessen bewusst ist.

Jemand sagt mit mitleidiger Stimme, in dem Alter der Brillanten seien die Jugendlichen ja auch schwierig.
Nö, hier nicht. Das können die sich gar nicht leisten. Mamamotzt ist zwar extrem lässig in vielen Dingen, aber da ist sie streng. Und kennt den Weg zur Haustür. Und würde ihn zur Not auch weisen.

Das liebe Geld

Aus Spaß hat sie eben noch einen Hartz IV-Rechner ausgefüllt, so, als ob sie nicht bienenfleißig erwerbstätig sei und über gar kein Einkommen verfügen würde. Eine einfache Version, ohne allzuviel Schnickschnack. 

Also entweder ist das viel Geld, der Rechner kaputt oder sie verdient ganz schön wenig. Der berühmte Satz: „Ohne Arbeit hätte ich mehr!“, er träfe mehr als zu. (Mit Hartz IV kann man ja auch Zuschussanträge für Klassenfahrten und Sportvereine stellen, wie geil wäre das denn?!) 

Trotzdem wird sie nicht hinrennen und den Rest beantragen, der der Familie vermutlich noch „zusteht“, im Gegenteil, es schüttelt sie alleine bei dem Gedanken. 
Und glücklicherweise ist sie in der Lage, ohne die bisherige Pflege schwerst Pflegebedürftiger „nebenbei“ sich um mehr freie Aufträge zu kümmern. Phasenweise mit Knochenjobs das monatliche Einkommen anzuheben. Und sie hat absolut keinen Nerv, dafür Quadratkilometer an Formularen auszufüllen, jeden Monat neu, weil sich das freie Einkommen ja verändert, und zu kontrollieren, wo ein „Groschen“ fehlt. 
Dafür aber noch einen Bewerbungsmarathon hinlegen zu müssen, um im Bezug zu bleiben. Nein, dann lieber manchmal verzichten und Suppe strecken. (Passiert nie, Suppe strecken. Verzicht ist wohl eher das Zauberwort.) 

Unabhängigkeit rulezzzz! 

Glücklicherweise sind die Brillanten groß genug, dass es einigermaßen hinhaut mit der vielen Arbeit = Abwesenheit, physisch und/oder psychisch. 

Erziehung nebenbei

Mamamotzt ist sicher nicht die erste Pädagogin ihrer Kinder, keine super Erzieherin oder ähnliches. Das extrem überhöhte Ideal, welches Eltern heute erfüllen wollen, ihre Kinder bis zum Erbrechen fördern oder maximal helikoptern (teils, ohne es zu wollen, ja, sogar ohne sich dessen bewusst zu sein), war eh nie ihres. Und sie kommt gepflegt nicht mal ihr eigenes, kleines Erziehungsideal heran.

Eine gewisse Menge Quantitätszeit mit dem Nachwuchs fällt zu oft unter den Tisch, weil Zeit und Nerven fehlen, noch ist bezahlter oder gar biologischer Ersatz zur Hand. Gemeinsame Mahlzeiten als fester Anker im Tag? Ha, ha, ha! Irgendwer ist immer nicht da, akut unterzuckert oder leider gerade satt. Schadeschadeschade, aber kaum zu ändern.

Die Brillanten wachsen auf, wie viele Milliarden Kinder vor und neben ihnen auf diesem Planeten: ohne Lob für jeden Schiss, einfach normal und nebenbei. Mittelstrukturiert und eilig geliebt, aber von Herzen!

Vieles, was sie können könnten, wird ihnen verwehrt bleiben, weil es nicht möglich ist. Das ist sehr bedauerlich. Bildungsbürgertum adé.
Aber vielleicht und hoffentlich haben sie Resilienzen gegen Unbill im Leben, weil sie erfahren haben: das Leben ist hart und ungerecht, aber mindestens ein Pfeiler ist unumstößlich. Mama. 

Ein ganz normaler Tag

Ein Kind bedankt sich für den schönen Tag heute (ein stinknormaler, aber es lief halt einfach mal alles so, wie man es für normal hält), ein Kind ist allmählich wieder gesund und für die Zeit seiner Krankheit konnte Mamamotzt bezahlt und versichert der Arbeit fernbleiben (ein einziger Fehltag, das Kind war natürlich länger krank, aber der Rest wurde anders abgefedert!), ein Kind wurde außerordentlich freundlicherweise von Bekannten zu einer kulturellen Veranstaltung mitgenommen, was sonst nicht möglich gewesen wäre.

Dankbar sein fällt eventuell viel leichter, wenn man materiell weniger hat. Dann fühlt man es besser.

Das Leben plätschert ruhig dahin

Das Leben plätschert derzeit ruhig dahin. Mehr hat sich Familie Mamamotzt lange nicht gewünscht. Ein Traum ist damit wahr geworden!

Einfach mal keine Katastrophen.
Vor allem einfach mal möglichst lange keine Entscheidungen als Laie über Leben und Tod mehr treffen müssen. Auch das Aus mit dem #Freund ist in der Nachbetrachtung eine Nachwehe dieses Traumas mit allen Folgewirkungen. Es ist wirklich ein Trauma, Pflege (zu Hause oder auch nicht zu Hause) kann einfach richtig scheiße sein und leider auch langanhaltende, unschöne Folgen ziehen.
Therapie? Nicht nötig. Manche Menschen machen sowas mit sich selbst aus, aber es braucht Zeit.

Die Familie ist stabil

Die Familie Mamaotzt ist derzeit stabil. So stabil wie lange nicht. Es fühlt sich einfach mal geschmeidig an.

Keine Dramen, weder beim Familienvorstand (Herzschmerz) noch bei den Brillanten (Freunde verursachen ja komischerweise häufig mehr Ärger als Freude …).

Möge es lange so bleiben.

THE END

 

 

P.S.: Eine fette Nachzahlung, die nicht mal verbrauchsabhängig ist (Grundsteuer B etc.) und ein häßliches Telefonat werden die positive und gechillte Stimmung jetzt auch nicht ändern!
Nimm das, Schicksal! Du kannst sie alle mal!